Zum Inhalt springenZur Suche springen

Kalendertermin

Johannes Schick (Siegen): "Perspektiven und Herausforderungen des Lebendigen für die Technikphilosophie"

Philosophie Sonstiges
„Vom élan vital zur technischen Intuition: Perspektiven und Herausforderungen des Lebendigen für die Technikphilosophie“
Johannes Schick

 

Abstract:

Sowohl Henri Bergson als auch Gilbert Simondon entwickeln jeweils eine besondere Methode, um die beweglichen, dynamischen Aspekte der Wirklichkeit zu erfassen. Insofern Bergson die „Intuition“ als Methode einführt, um Phänomene „sub specie durationis“, d.h. in ihrer zeitlichen, dynamischen Genese zu betrachten, scheint Intuition dem Erfassen durch und von Lebewesen vorbehalten. Technische Objekte hingegen überführen die dynamischen Aspekte der Wirklichkeit in statische Elemente – wie Bergson etwa anhand der Kinematographie zeigt. Auch wenn diese Darstellung von Bergson leicht tendenziös ist und er bereits die Grundlagen für eine Philosophie gelegt hat, die sich mit den dynamischen Aspekten der Technik auseinandersetzen kann, wird die erkenntnistheoretische Frage, wie technische Prozesse als dynamische Aspekte konzipiert werden können, nur unzureichend gestellt. Simondon liefert eine Lesart Bergsons, die es erlaubt, die Methode der Intuition für seine Philosophie der Technik zu mobilisieren. Zusammen mit den Begriffen der Tendenz, der Virtualität und der Aktualität erlaubt es seine Technikphilosophie, die Wechselseitigkeit von Transformationsprozessen auf verschiedenen ontologischen Ebenen zu thematisieren. Das Vokabular dieser „Prozessphilosophie“ ist Bergson entlehnt, während das vereinheitlichende metaphysische Konzept – der élan vital – zugunsten einer Ontologie des Vorindividuellen aufgegeben wird. Dieser Vortrag versucht, den Simondonschen Begriff der „technischen Intuition“ aus der Perspektive der Bergsonschen Einflüsse zu erkunden.

Zur Person:

Johannes F.M. Schick ist seit Januar 2022 wissenschaftlicher Koordinator des SFB 1187 Medien der Kooperation. Er hat von 2017-2021 das Forschungsprojekt „Aktion, Operation, Geste: Technik als interdisziplinäre Anthropologie“ an der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities (Universität zu Köln) geleitet. Dort war er von 2013 bis 2017 Postdoktorand am Research Lab Transformation of Life. Seine Forschungsschwerpunkte sind die interdisziplinäre (Techno-)Anthropologie (von Bergson, Espinas und Mauss bis Simondon), Bergsons Lebensphilosophie und das Verhältnis von Anthropologie und Philosophie (und umgekehrt) sowie das „Category Project of the Durkheim School“. Er ist Mitglied des Editorial Board der Durkheimian Studies (neue Reihe). Darüber hinaus interessiert er sich für phänomenologische Psychiatrie, das Phänomen der Kreativität, Systemtheorie und Praxistheorie. In seiner Dissertation Erlebte Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Intuition zu Emotion bei Henri Bergson (2012) beschäftigte sich Schick mit dem Verhältnis von Intuition und Emotion in der Philosophie Henri Bergsons.

Zur Vorlesungsreihe:

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von der Entstehung unabhängiger Einzelwissenschaften und einer damit verbundenen Kompartmentalisierung von Erkenntnis: Spezifische Erfahrungsbereiche werden jeweils zum Gegenstand einer für sie mehr oder weniger exklusiv zuständigen Einzelwissenschaft, deren Methoden- und Begriffsinventar sich von demjenigen anderer Disziplinen unterscheidet. Als Kind des 19. Jahrhunderts erwächst die Lebensphilosophie nicht zuletzt in kritischer Absetzung von dieser Tendenz einer Entkopplung der Wissenschaften von anderen gesellschaftlichen Systemen und ihrer Auffächerung in Subdisziplinen und Spezialgebiete. Sie ist, wie Otto Friedrich Bollnow plakativ anmerkt, „durch eine ganz bestimmte Kampfstellung gekennzeichnet“, die sich insbesondere gegen die Vorstellung richtet, der Mensch als philosophierendes Subjekt ließe sich adäquat als Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis erfassen. Über die ,Abstoßbewegung‘ von einseitigen szientistischen und positivistischen Versuchen, das unmittelbare Erleben von Sinnhaftigkeit und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in formale Kategorien zu übersetzen, hinaus, geben die Vertreter der Lebensphilosophie damit einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung philosophischer Methoden, der etwa in der Phänomenologie oder der Hermeneutik Ausdruck gefunden hat. Vor diesem Hintergrund werden im wöchentlichen Wechsel Expertinnen und Experten der Lebensphilosophie sowohl exemplarische Auseinandersetzungen mit einzelnen Positionen lebensphilosophischen Denkens von Schopenhauer und Nietzsche bis Dilthey und Simmel als auch Kontinuitäten zwischen der Lebensphilosophie und nachfolgenden Strömungen sowie systematische Weiterentwicklungen präsentieren.

ICS

Veranstaltungsdetails

24.04.2023, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Verantwortlichkeit: