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Kalendertermin

Ruth Rebecca Tietjen: „Von religiösen Eiferern und Fanatikern“

Aus den Instituten Veranstaltungen

Im Rahmen der Ringvorlesung „Philosophie und Religion. Geschichte und Gegenwart eines Spannungsverhältnisses“ laden wir herzlich ein zu einem Vortrag von

Ruth Rebecca Tietjen: „Von religiösen Eiferern und Fanatikern“

Abstract:

Religiöser Eifer und Fanatismus werden im öffentlichen Diskurs oftmals in einem Atemzug genannt: religiöser Eifer soll Fanatismus motivieren, mit konstituieren oder sogar identisch mit ihm sein. Diese undifferenzierte Gleichsetzung von Religion, Leidenschaft, Gewalt und Politik ist problematisch. Ziel meines Vortrags ist es entsprechend, ein differenzierteres Verständnis von religiösem Eifer und Fanatismus zu entwickeln. Hierzu stelle ich zunächst ein neutrales Verständnis von religiösem Eifer als identitätsstiftende, leidenschaftliche Hingabe an ein religiöses Objekt absoluten Wertes vor. Als eine ebensolche Leidenschaft ist religiöser Eifer weder notwendig politisch noch notwendig gewalttätig. Auch ein Gläubiger, der sich voller Eifer religiösen Praktiken hingibt, diese aber primär als auf einen bestimmten Lebensbereich beschränkte Rituale versteht, oder der sich voller Eifer einer asketischen Lebensform hingibt, dabei aber ausschließlich nach Selbsttransformation statt nach gesellschaftlich-politischer Transformation strebt, kann in diesem Sinne als religiöser Eiferer verstanden werden. Vor dem Hintergrund dieser Begriffsbestimmung gehe ich der Frage nach, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit religiöser Eifer zu religiösem Fanatismus wird. Ich argumentiere dafür, dass religiöse Fanatiker ihren Werten nicht nur Absolutheit zusprechen, sondern sie auch mit einem Totalitätsanspruch vertreten. Sie sind in der Realisierung und Verteidigung der von ihnen vertretenen Werte im Extremfall zu leiden und/oder sterben, Leid zuzufügen und/oder zu töten bereit. Dabei geht es im gewaltsamen Kampf für die als gut und gerecht, gegen die als böse und ungerecht empfundene Ordnung immer zugleich um den zu verteidigenden Wert selbst wie auch um die Aufrechterhaltung und Verteidigung des individuellen und kollektiven Selbstverständnisses der Fanatiker.

Zur Person:

Frau Dr. Ruth Rebecca Tietjen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Düsseldorf, wo sie das von der VolkswagenStiftung geförderte Forschungsprojekt „Performative Metaphilosophie oder: Kalliope im Spiegelkabinett“ durchführt. Im November wird sie an das Center for Subjectivity Research der Universität Kopenhagen wechseln. Sie beschäftigt sich mit Fragen im Grenzbereich von Emotionsphilosophie, Religionsphilosophie, Anthropologie, Ethik und Politischer Philosophie. Sie forscht zu religiösem Eifer, religiöser Gewalt, Fanatismus und Populismus, zu Einsamkeit, Melancholie, Dichtung und den Grenzen der Sprache. In ihrem Philosophieren fühlt sie sich dem Ziel existenziell-politisch engagierter Philosophie verpflichtet und sucht nach Möglichkeiten, die Grenzen dessen, was im Raum der (akademischen) Philosophie möglich ist, auszutesten und zu erweitern. Sie arbeitet an einem Buch zum Fanatismus und ist Mitherausgeberin des Sammelbandes „The Philosophy of Fanaticism: Epistemic, Affective, and Political Dimensions“, der 2021 bei Routledge erscheinen wird.

Veranstaltungsdetails

26.10.2020, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Dennis Sölch und Oliver Victor
Verantwortlichkeit: