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Patrizia Breil: „Leiblichkeit und Virtualität. Zugänge zu einer Phänomenologie virtueller Begegnungsräume"

Akademische Veranstaltungen

Im Fortschreiten der Entwicklung von VR-Technologie wird der Nutzer:innenkörper zunehmend ambivalent thematisiert: Popkulturelle Vorstellungen einer Überwindung des Körperlichen stehen multisensorischen Schnittstellen gegenüber, die den Körper ganzheitlich adressieren und immersive Erfahrungsräume schaffen wollen. Mit einer leibphänomenologischen Perspektive gelingt es, diese unbestimmte Stellung des Körpers zwischen dem ‚Innen' der VR-Erfahrung und dem ‚Außen' des Nutzer:innenkörpers aus ihrer dualistisch anmutenden Opposition zu befreien.

Ausgangspunkt der Überlegungen bildet unter Rekurs auf Merleau-Ponty die Annahme, dass Erfahrbarkeit an die leibliche Struktur des Zur-Welt-seins gekoppelt ist, dass also das, was uns in der technologisch vermittelten virtuellen Realität begegnet, notwendig leiblich wahrgenommen wird. Verschiedene Repräsentationen des Avatars fungieren in der habituellen Praxis als temporäre Erweiterungen des Leibes. Die Gewöhnung an den Avatar gelingt jedoch nicht immer reibungslos. Fehlgehende Bewegungsintentionen, neu zu erlernende Gesten oder eine fehlerhafte Kalibrierung führen nicht selten zu sensomotorischen Verwirrungen, die als Einstiegspunkte für ein Nachdenken über die Spezifika des virtuellen Zur-Welt-seins dienen.

Im Moment des Scheiterns der habituellen Einverleibung wird das perzeptive Fiktum der Avatarerfahrung phänomenologisch greifbar: Teils minimale physische Bewegungen werden als komplexe leiblich-intentionale Bewegung erfahren, ein Knopfdruck wird zum ‚ich gehe'. Unterschiedliche technologische Gegebenheiten und Repräsentationsweisen präfigurieren dabei einen virtuellen Erfahrungsraum, in dem auch Begegnung in vielfältiger Varianz möglich wird. Diese ist durch die Grundstruktur der anwesenden Abwesenheit charakterisiert – ein Zusammenspiel aus leiblicher Intention und körperlichem Entzug, in dem die Erfahrung von Nähe mit ihrer Verfehlung zusammenfällt.

Patrizia Breil ist Postdoktorandin am SFB 1567 Virtuelle Lebenswelten der Ruhr-Universität Bochum im Teilprojekt ›Virtuelle Körper‹. Zu ihren Forschungsinteressen zählen insb. phänomenologische Theorien zu Leiblichkeit und Materialität in virtuellen Umgebungen sowie zu Möglichkeiten sozialer Begegnung, Berührung und Anerkennung unter (post)digitalen Bedingungen.

ICS

Details

15.12.2025, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 24.21.U1.44