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Matthias Ernst Bähr(Erfurt): „Perzeptionen,Intuitionen,Prehensionen – ein Blick auf das erkenntnistheoretische Vokabular der Prozessphilosophie“

Akademische Veranstaltungen

Abstract:

In der Prozessmetaphysik kommt dem Erkenntnisakt eine besondere Bedeutung zu. Im Gegensatz zur Philosophie von Descartes, in der Erkenntnis als eine Beziehung der Übereinstimmung zwischen einem erkennenden Subjekt und einem Erkenntnisobjekt erst gestiftet werden muss, begegnet in prozessmetaphysischen Systemen, wie wir sie in prominenter Weise bei Whitehead, Bergson oder auch in Leibniz’ Monadentheorie vorfinden, eine Verankerung des Erkenntnisaktes in den fundamentalsten Strukturen der Wirklichkeit. Erkenntnis muss nicht erst von Subjekten und Objekten gestiftet werden, sondern ist ein wirklichkeitskonstituierendes Moment. Sie ist nicht Produkt, sondern Voraussetzung einer relational beschaffenen Welt und folglich auch nicht substanzielle Eigenschaft eines erkennenden Subjekts, sondern Wesensmerkmal eines jeden wirklichen Elements. Die Elemente des Wirklichen sind selbst Subjekte, die durch ihre gegenseitige Verinnerlichung Formen und Beziehungsnetze ausdifferenzieren. 

Begibt man sich auf Spurensuche nach dem skizzierten Motiv innerhalb der Prozessmetaphysik, so wird schnell deutlich, dass die Art, wie diese ,ontologische‘ Erkenntnisbeziehung gesehen wird, sich stark unterscheiden kann. Bei Leibniz verfügen die Monaden als Grundbausteine der Wirklichkeit über Perzeptionen voneinander, für Whitehead kennzeichnen die als actual entities bezeichneten Wirklichkeitsatome über negative und positive prehensions, die einen ausschließenden und integrierenden Pol ihrer wechselseitigen Erfahrungen voneinander bezeichnen. Bei Bergson wiederum durchzieht unser Selbst- und Weltverhältnis die Intuition als hybrider Erkenntniszugang zwischen Instinkt und Intellekt. Im Vortrag möchte ich mit Ihnen auf eine solche Spurensuche gehen.

 

Zur Person:

Matthias Ernst Bähr arbeitet seit Oktober 2024 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Philosophie (Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski) der Kath.-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Von Oktober 2023 bis September 2024 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beschäftigt. Seine Forschungs- und Interessengebiete liegen in der Lebensphilosophie, Existenzphilosophie und Phänomenologie sowie Prozessmetaphysik, mit besonderem Augenmerk auf den Zeitphilosophien Henri Bergsons und Martin Heideggers, die auch im Zentrum seines Promotionsprojektes stehen. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen Aufsätze zu Camus’ früher Bergson-Rezeption, Bergsons Gedächtniskonzeption und seiner Moralphilosophie sowie ein Sammelband zur Geschichte und Gegenwart der Erziehungsphilosophie. Er war Mitorganisator der 13. Internationalen Whitehead-Konferenz (München, 2023) und ist Mitherausgeber des kommenden Heidegger-Jahrbuchs zum 100-jährigen Jubiläum von Sein und Zeit. Seit dem Sommersemester 2025 ist er außerdem wissenschaftliches Vorstandsmitglied der Martin-Heidegger-Gesellschaft.

ICS

Details

05.05.2025, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: Raum 73, Geb. 23.21.U1