Prof. Dr. Oliver Hallich, Univ. Duisburg-Essen:  "Anders Handeln Können"

In der Auseinandersetzung um Willensfreiheit und Determinismus ist es von zentraler Bedeutung zu klären, was es heißt, anders handeln zu können. In der analytisch orientierten Diskussion des Problems wird in Anschluss an eine Kontroverse zwischen G.E. Moore und J. Austin insbesondere diskutiert, ob „können“ falls-gebunden, also implizit an Konditionalsätze gebunden ist. Diese Frage ist für die Auseinandersetzung zwischen Kompatibilismus und Inkompatibilismus relevant, denn viele Kompatibilisten argumentieren unter Verweis auf die konditionale Verwendung von „können“ für die Vereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit. Sie ist weiterhin wichtig für die Verhältnisbestimmung von Anders-Handeln-Können und Verantwortlichkeit, insbesondere für die Einschätzung der von H. Frankfurt gegen das „Prinzip der Alternativen Möglichkeiten“ entwickelten Szenarien.

In diesem Vortrag möchte ich einen Vorschlag für das Verständnis von Ausdrücken wie „Sie hätte anders handeln können“ unterbreiten und andeuten, welche Konsequenzen sich daraus für die Diskussion der genannten Probleme ergeben. Nach einigen einleitenden Bemerkungen (1) wird auf einen in der Literatur meist übersehenen Unterschied zwischen der konjunktivischen Aussage „Sie hätte anders handeln können“ und der indikativischen Aussage „Sie konnte anders handeln“ aufmerksam gemacht – die konjunktivische Aussage ist irrealisierend, die indikativische nicht –, und es werden Konsequenzen benannt, die sich aus der Beachtung dieses Unterschieds ergeben (2). Ausgehend davon werden vier verschiedene Weisen des Anders-Handeln-Könnens voneinander unterschieden (3). Im abschließenden Teil wird am Beispiel einer Form des Anders-Handeln-Könnens gezeigt, wie wir, ausgehend von den konjunktivischen Redeweisen, zur Beantwortung von Fragen wie „Konnte sie anders handeln?“ gelangen können.