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Markus Rieger-Ladich: "Das Subjekt dekonstruieren. Wie Michel Foucault [...] eine Blockade der Bildungstheorie löste."

Philosophie Veranstaltungen

Das Subjekt dekonstruieren. Wie Michel Foucault das Gefängnis untersuchte und nebenbei eine Blockade der Bildungstheorie löste

Markus Rieger-Ladich

Abstract:

Michel Foucaults Untersuchung des Gefängnisses hat nicht allein die Analyse von Macht- und Herrschaftsverhältnissen inspiriert, sie hat auch innerhalb der Allgemeinen Erziehungswissenschaft ihre Spuren hinterlassen. Überwachen und Strafen traf hier deshalb auf großes Interesse, weil die Studie die Hoffnung nährte, nicht nur einen Ausweg aus der leidigen Debatte um den Status des Subjekts zu weisen, sondern auch der Theoriebildung neue Wege zu eröffnen. Lange Zeit bestand in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft der Zwang, sich ‚für‘ oder ‚gegen‘ das Subjekt auszusprechen. Immer wieder wurde das ermüdende Spiel ‚Paris‘ vs. ‚Frankfurt‘ inszeniert – und dabei wurden jene des ‚Antihumanismus‘ verdächtigt, die sich allzu sehr auf französische Theorieimporte einließen und von der Idee des makellosen Subjekts nicht länger überzeugt waren.

Diese Blockade der Theoriebildung konnte auch deshalb überwunden werden, weil Foucault mit seiner Untersuchung die Möglichkeit eröffnete, in empirischen Studien jene sozialen Kräftefelder zu erforschen, von denen subjektivierende Effekte ausgehen. Seine Studie erweist sich daher in der Rückschau – also von heute aus betrachtet – als ein beträchtlicher Modernisierungsschub für das Nachdenken über das pädagogische Feld und seine Praktiken. Indem Foucault die empirisch betriebene Erforschung von Subjektivierungspraktiken ermöglichte, wurde er zu einem wichtigen Stichwortgeber nicht allein der Allgemeinen Erziehungswissenschaft. Das ist die These, die ich in einem Vortrag zu plausibilisieren versuche.

Zur Person:

Markus Rieger-Ladich ist Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Tübingen. Nach dem Studium der Fächer Philosophie, Germanistik und Erziehungswissenschaft wurde er im Rheinland – an der benachbarten Uni Bonn – promoviert und, einige Jahre später, an der Universität Zürich habilitiert. In der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft engagiert er sich in der Kommission „Bildungs- und Erziehungsphilosophie“; er ist Mitglied des DFG-Graduiertenkollegs „Doing Transitions“ und in diesem Semester Lehrbeauftragter an der Universität Tokyo. Zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre zählen Zeitgenössische Bildungstheorie, Machtkritik des pädagogischen Feldes, Wissenschaftliche Reflexivität und Ästhetische Theorie. Aktuell forscht er zu Privilegien und ihrer Kritik.

Neuere Veröffentlichungen: Bildungstheorien zur Einführung. 2. Auflage. Hamburg: Junius 2020 und Das Privileg. Kampfvokabel und Erkenntnisinstrument. Ditzingen: Reclam 2022“.

Ein Gastbeitrag zur Ringvorlesung "Michel Foucault und die Philosophiegeschichte".

Veranstaltungsdetails

07.11.2022, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 23.21.U1 Raum 46
Verantwortlichkeit: