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Christoph T. Burmeister - Ringvorlesung Foucault

Philosophie Veranstaltungen

Träume vom Goldenen Zeitalter

Foucault, Rousseau und die (Re-)Produktion der Produktionsverhältnisse im Kinde

Dr. Christoph T. Burmeister

Abstract:

Seit der Frühen Neuzeit erträume sich eine jede westliche Gesellschaft, so Foucault, in ihrer Pädagogik „ihr Goldenen Zeitalter“, seien also Praktiken der Erziehung strukturiert durch eine zukünftige Gegenwart der Gesellschaft, die es im Kind und durch es her- oder sicherzustellen gilt. Doch erst im 18. Jahrhundert und wahrlich beispielhaft in Rousseaus Émile würde eine strikte Trennung von Kindheit und Erwachsenheit vollzogen und zum Zweck der (Re-)Produktion der Produktionsverhältnisse „ein irreales Milieu ohne Beziehung zur Welt der Erwachsenen um die Kinder aufgebaut.“ Vor diesem Hintergrund verfolge ich in meinem Vortrag drei Thesen: Die skizzierten Bezüge von Foucault zu Kind/Kindheit sind, erste These, keinesfalls bloß anekdotischer Natur. Vielmehr ist weithin verkannt und in der Rezeption bisher unreflektiert geblieben, dass in allen von ihm ausgemachten Transformationen hin zu modernen Vergesellschaftungspraktiken stets das Problem Kind den Ausschlag gibt. Derweil ist Rousseaus Émile nicht nur das werkimmanente Komplementärstück zu dessen Contract social, sondern auch, wie Foucault herausstellt, zu Benthams Panopticon. Rousseaus Entwurf ist jedoch weder in erster Linie emanzipativ noch repressiv – zwei in der Rezeption gängige Deutungen – sondern, These zwei, liberal-paternalistisch und pädagogisch-republikanisch. Zusammengenommen lässt sich daher systematisierend sagen, These drei, dass Kind und Kindheit ganz zentrale Elemente des Hervorbringens und Funktionierens sowie der Praktiken und Techniken moderner Formen der Vergesellschaftung sind, die die (Re-)Produktion der Produktionsverhältnisse sicherstellen.

Zur Person:

Dr. Christoph T. Burmeister, Soziologe und Kulturwissenschaftler, forscht und lehrt am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Studium der Kulturwissenschaften und Soziokulturellen Studien in Frankfurt/Oder und Nizza. Mitglied im Vorstand des AK Historische Soziologie der DGS-Sektion Kultursoziologie sowie im Sprecher*innenkreis der DGS-Sektion Soziologie der Kindheit. Letzte Veröffentlichungen: Das Problem Kind. Ein Beitrag zur Genealogie moderner Subjektivierung, Weilerswist 2021; »Sind rülpsende und pupsende Kühe das Problem? Zur Re-/Problematisierung sozial-ökologischer Fragen im Anschluss an Michel Foucault am Beispiel der Biotechnologie ›Clean Meat‹«, in: Sören Altstaedt et al. (Hg.), Praxis und Ungewissheit. Zur Alltäglichkeit sozial-ökologischer Krisen, Frankfurt/Main 2022 (gemeinsam mit Sandra Matthäus).

Veranstaltungsdetails

28.11.2022, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 23.21.U1 Raum 46
Verantwortlichkeit: