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Eike Brock: „Pädagothic. Was wir von Horrorgeschichten über uns selbst lernen können“

Philosophie Veranstaltungen

Im Rahmen der Ringvorlesung "Geschichte und Gegenwart der Erziehungsphilosophie" laden wir herzlich ein zu einem Vortrag von

Eike Brock: „Pädagothic. Was wir von Horrorgeschichten über uns selbst lernen können“

Abstract:

Philosophinnen und Denker wie Martha Nussbaum, Cora Diamond, Richard Rorty oder Stanley Cavell haben in verhältnismäßig jüngerer Zeit auf je eigene Weise auf den philosophischen Wert von narrativen Kunstwerken, also von Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Filmen usw. aufmerksam gemacht. Die Begeisterung der genannten Personen für die erzählende Kunst hängt wesentlich damit zusammen, dass sie sich von ihr Erkenntnisse versprechen, die sich so nicht auf ‚klassischem‘ philosophischem Wege, in der streng argumentativ operierenden Abhandlung, der logischen Analyse, dem Essay usw., gewinnen lassen. Gerade wenn es um praktisches Wissen geht, wird die Dichtung interessant für die Philosophie und das nicht nur als Fundgrube oder Materialsammlung zu Demonstrationszwecken, sondern als echte Gesprächspartnerin. Vor allem Stanley Cavell hat immer wieder betont, dass die Literatur Themen, die auch die Philosophie umtreiben, auf ihre eigene Weise behandelt hat. In Shakespeares Dramen beispielsweise, meint Cavell, werden skeptische Probleme wie das des Fremdpsychischen auf eine nicht weniger erhellende und tiefsinnige Art und Weise verhandelt als bei Descartes, Hume oder Kant. Das Verhältnis zwischen Philosophie und erzählender Kunst, das hier als ein komplementäres gedacht wird, wäre ein spannender Gegenstand für eine Vorlesung. Mein Vortrag setzt allerdings später ein, d. h, ich setzte voraus, dass sich Philosophie und Dichtung im oben skizzierten Sinne etwas zu sagen haben, um mich gleich mitten in das interdisziplinäre Gespräch hineinzuwerfen. Konkret bedeutet das Folgendes: Ich versuche als Philosoph Horrorgeschichten sprechen zu lassen, wobei ich mich auf zwei ‚Klassiker‘ der modernen Horrorliteratur beziehe, die beide aus der Feder desselben Autors stammen. Die Rede ist von Stephen Kings Romanen Friedhof der Kuscheltiere (OA: Pet Semetery, 1983) und Es (OA: It, 1986). Am Beispiel dieser beiden Romane lässt sich mustergültig zeigen, wovon ich grundsätzlich überzeugt bin: dass gerade Horrorgeschichten Spiegel unserer Seelen sind, dass sie uns selbst in unserer existenziellen Bedrängnis zeigen, als vulnerable und zugleich resiliente Wesen, die verzweifelt gegen die eigene Endlichkeit anrennen oder Frieden und Glück finden in der Anerkennung ihrer Grenzen. Horrorgeschichten (zumindest die guten unter ihnen), so meine These, lassen sich als Kurse in existenziellem Denken lesen. Im Zuge dessen erfüllen sie idealerweise eine wesentliche pädagogische Aufgabe, indem sie uns darüber aufklären, dass ein gelingendes Leben kaum denkbar ist, ohne die Entwicklung einer Tugend, die ich „Endlichkeitskompetenz“ nenne.

Zur Person:

Eike Brock ist zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Lehrbeauftragter am Institut für Humanwissenschaften der Universität zu Köln. Außerdem ist er freier Autor. Promotion in Philosophie mit einer Arbeit über Nietzsche an der Universität Würzburg 2012 (Nietzsche und der Nihilismus. (MTNF Bd. 68), Berlin/Boston: De Gruyter 2015). Sein philosophisches Interesse richtet sich vor allem auf das Werk Friedrich Nietzsches und grundsätzlich auf existenzielle Themen, wozu er insbesondere auch eine Philosophie des Horrors zählt. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist eine moderne, kritische Philosophie der Lebenskunst. Zusammen mit Günter Gödde und Jörg Zirfas ist er Herausgeber der neuen Reihe „Kritische Lebenskunst“ beim Metzler Verlag, deren erster Band Das leuchten der Morgenröthe. Friedrich Nietzsche und die Kunst zu leben noch in der ersten Hälfte dieses Jahres erscheinen wird. Zu seinen letzten Veröffentlichungen gehören unter anderem als Herausgeber zusammen mit Jutta Georg Friedrich Nietzsche. Menschliches, Allzumenschliches (Reihe „Klassiker Auslegen“ Bd. 72), Berlin/Boston: De Gruyter 2020 und, ebenfalls als Herausgeber, zusammen mit Thorsten Lerchner Denken des Horrors, Horror des Denkens. Unheimliches, Erschreckendes und Monströses aus philosophischer Perspektive, Würzburg: Königshausen & Neumann 2019.

Details

31.01.2022, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: Virtuell
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