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Hans Schelkshorn: "Ortega y Gasset: Lebensphilosophie als Diskurs der Moderne"

Philosophie

„Ortega y Gasset: Lebensphilosophie als Diskurs der Moderne“

Hans Schelkshorn

 

Abstract:

Ortega y Gasset (1883-1955) ist neben Miguel de Unamuno der bedeutendste spanische Philosoph des 20. Jahrhunderts. Sein Denken hat nicht nur die sogenannte „Escuela de Madrid“ (María Zambrano, Xavier Zubiri, Julián Marías Aguilera u.a.), sondern auch die lateinamerikanische Philosophie zutiefst geprägt. Nach dem Verlust der letzten Kolonien im spanisch-amerikanischen Krieg 1898 stürzte Spanien in eine tiefe Identitätskrise, in der sich jedoch nach Ortega y Gasset die Krise der Moderne insgesamt spiegelt. Ortega y Gasset entwickelt seine Philosophie des Lebens, in der bereits frühere Ansätze, vor allem Nietzsche und Dilthey, kritisch verarbeitet werden, als eine Überwindung der Moderne von Descartes bis Hegel. Um irrationalistische Tendenzen der Lebensphilosophie zu vermeiden, verbindet Ortega y Gasset in „El tema de nuestro tiempo“ (1923) in systematischer Weise Leben und Vernunft. Auf dieser Grundlage reformuliert er die politischen Ideale der Aufklärung (Menschenrechte, Demokratie, Völkerrecht) und warnt in seinem berühmtesten Werk Der Aufstand der Massen (1929) vor den Gefahren des aufkommenden Faschismus. In seinem Spätwerk entwirft Ortega y Gasset die Vision eines vereinten Europa.

Zur Person:

Hans Schelkshorn ist Vorstand des Instituts für Interkulturelle Religionsphilosophie an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Wien und Tübingen wurde er 1989 zum Dr. theol. und 1994 zum Dr. phil. promoviert. 2007 folgte die Habilitation am Institut für Philosophie der Universität Wien.

Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Theorien der Moderne, der Religionsphilosophie, der Praktischen Philosophie sowie der interkulturellen Philosophie (mit einem Schwerpunkt in der lateinamerikanischen Philosophie). Er ist Präsident der Wiener Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie und Mitherausgeber von Polylog – Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren. Seine Publikationen umfassen Ethik der Befreiung. Einführung in die Philosophie Enrique Dussels (1992); Diskurs und Befreiung. Studien zur philosophischen Ethik von Karl-Otto Apel und Enrique Dussel (1997); Entgrenzungen. Ein europäischer Beitrag zum philosophischen Diskurs der Moderne (2009; 2. Aufl. 2016; die überarbeitete englische Version erscheint unter dem Titel: Rethinking European Modernity. Reason, Power and Coloniality in Early Modern Thought, Bloomsbury 2024) sowie zahlreiche Artikel zur Existenz- und Lebensphilosophie von Albert Camus, José Enrique Rodó oder Karl Jaspers.

Zur Vorlesungsreihe

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von der Entstehung unabhängiger Einzelwissenschaften und einer damit verbundenen Kompartmentalisierung von Erkenntnis: Spezifische Erfahrungsbereiche werden jeweils zum Gegenstand einer für sie mehr oder weniger exklusiv zuständigen Einzelwissenschaft, deren Methoden- und Begriffsinventar sich von demjenigen anderer Disziplinen unterscheidet. Als Kind des 19. Jahrhunderts erwächst die Lebensphilosophie nicht zuletzt in kritischer Absetzung von dieser Tendenz einer Entkopplung der Wissenschaften von anderen gesellschaftlichen Systemen und ihrer Auffächerung in Subdisziplinen und Spezialgebiete. Sie ist, wie Otto Friedrich Bollnow plakativ anmerkt, „durch eine ganz bestimmte Kampfstellung gekennzeichnet“, die sich insbesondere gegen die Vorstellung richtet, der Mensch als philosophierendes Subjekt ließe sich adäquat als Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis erfassen. Über die ,Abstoßbewegung‘ von einseitigen szientistischen und positivistischen Versuchen, das unmittelbare Erleben von Sinnhaftigkeit und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in formale Kategorien zu übersetzen, hinaus, geben die Vertreter der Lebensphilosophie damit einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung philosophischer Methoden, der etwa in der Phänomenologie oder der Hermeneutik Ausdruck gefunden hat. Vor diesem Hintergrund werden im wöchentlichen Wechsel Expertinnen und Experten der Lebensphilosophie sowohl exemplarische Auseinandersetzungen mit einzelnen Positionen lebensphilosophischen Denkens von Schopenhauer und Nietzsche bis Dilthey und Simmel als auch Kontinuitäten zwischen der Lebensphilosophie und nachfolgenden Strömungen sowie systematische Weiterentwicklungen präsentieren.

ICS

Details

03.07.2023, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 23.21.U1 Raum 48
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