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Werner Stegmaier (Greifswald): "Was heißt: Über das Leben philosophieren?"

Philosophie Philosophie in der Öffentlichkeit

Geschichte und Gegenwart der Lebensphilosophie
Werner Stegmaier

Abstract:

Kant fragte aus reiner Vernunft „Was heißt: sich im Denken orientieren?“ im Blick auf rational unentscheidbare Fragen des religiösen Glaubens. Er fand, dass wir hier „Bedürfnis“ für „Einsicht“ gelten lassen müssen. Wir blicken inzwischen, nach einer langen Tradition der Lebensphilosophie und einer noch längeren Karriere des Begriffs der Orientierung, auf das menschliche Leben im Ganzen und fragen, welche Bedürfnisse nun zu welchen Einsichten und Entscheidungen führen. Das Leben kann man im Leben nie ganz überblicken, oder man sieht aus dem Blickwinkel einer reinen Vernunft über es hinweg. Dennoch kann man sich in ihm, besser oder schlechter orientieren und darin hinreichenden Halt finden. Könnte im 21. Jahrhundert eine Philosophie der Orientierung in den Mittelpunkt der Philosophie gerückt sein? Orientierung ist ein erstes Lebensbedürfnis.

Zur Person:

Werner Stegmaier war Gründungsdirektor des Instituts für Philosophie der Universität Greifswald. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Sowjetideologie betrieb er gemeinsam mit Instituten für Philosophie rund um die Ostsee ein DFG-Projekt Empirische Philosophie-Forschung – in der historisch einmaligen Situation, dass nun viele sich mit einem Schlag für neue philosophische Orientierungen entscheiden konnten. Mit seiner international renommierten Nietzsche-Forschung zog Stegmaier Doktorand*innen aus 15 Nationen an. 2008 erschien seine Philosophie der Orientierung, und nach mehreren Monographien zur Philosophie Nietzsches, darunter Orientierung im Nihilismus – Luhmann meets Nietzsche (2016), seine Einführung zu Formen philosophischer Schriften (2021) (stegmaier-orientierung.de). In Nashville, Tennessee, USA, wurde eine Stiftung zur Weiterentwicklung der philosophischen Orientierung errichtet (hfpo.com).

Zur Vorlesungsreihe:

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von der Entstehung unabhängiger Einzelwissenschaften und einer damit verbundenen Kompartmentalisierung von Erkenntnis: Spezifische Erfahrungsbereiche werden jeweils zum Gegenstand einer für sie mehr oder weniger exklusiv zuständigen Einzelwissenschaft, deren Methoden- und Begriffsinventar sich von demjenigen anderer Disziplinen unterscheidet. Als Kind des 19. Jahrhunderts erwächst die Lebensphilosophie nicht zuletzt in kritischer Absetzung von dieser Tendenz einer Entkopplung der Wissenschaften von anderen gesellschaftlichen Systemen und ihrer Auffächerung in Subdisziplinen und Spezialgebiete. Sie ist, wie Otto Friedrich Bollnow plakativ anmerkt, „durch eine ganz bestimmte Kampfstellung gekennzeichnet“, die sich insbesondere gegen die Vorstellung richtet, der Mensch als philosophierendes Subjekt ließe sich adäquat als Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis erfassen. Über die ,Abstoßbewegung‘ von einseitigen szientistischen und positivistischen Versuchen, das unmittelbare Erleben von Sinnhaftigkeit und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in formale Kategorien zu übersetzen, hinaus, geben die Vertreter der Lebensphilosophie damit einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung philosophischer Methoden, der etwa in der Phänomenologie oder der Hermeneutik Ausdruck gefunden hat. Vor diesem Hintergrund werden im wöchentlichen Wechsel Expertinnen und Experten der Lebensphilosophie sowohl exemplarische Auseinandersetzungen mit einzelnen Positionen lebensphilosophischen Denkens von Schopenhauer und Nietzsche bis Dilthey und Simmel als auch Kontinuitäten zwischen der Lebensphilosophie und nachfolgenden Strömungen sowie systematische Weiterentwicklungen präsentieren.

ICS

Details

17.04.2023, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 23.21.U1 Raum 48
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