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Date

Matthias Vollet: "Wissenschaften vom Leben und Metaphysik: die Lebensphilosophie Henri Bergsons"

Philosophie
Abstract:

Bergson wird in Deutschland zuweilen als irrationalistischer Lebensphilosoph rezipiert, der den rationalen Wissenschaften ablehnend gegenübersteht. Jedoch hat Bergson sich einerseits für jedes seiner Bücher intensiv mit den zeitgenössischen Wissenschaften seines Untersuchungsfeldes auseinandergesetzt (u.a. Psychologie, Hirnforschung, Biologie und Evolutionstheorie, Soziologie, Religionswissenschaften). Andererseits aber hat Bergson das Verhältnis von Philosophie bzw. Metaphysik und Wissenschaften „sciences“) in vielen seiner Werke intensiv reflektiert und dabei seine Auffassung stetig überarbeitet. Vor allem dem zweiten Aspekt geht der Vortrag nach.  

Zur Person:

Matthias Vollet studierte Philosophie u.a. in Eichstätt, Mainz, Berlin, Dijon, Sevilla, erwarb seinen M.A. mit einer Arbeit zu Nicolaus Cusanus und promovierte mit einer Arbeit zu Henri Bergson. Er war von 1994 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Mainz, von 1999 bis 2001 persönlicher Referent des Präsidenten der Universität Mainz und von 2002-2010 anschließend wieder wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Mainz. Seit 2010 ist er Geschäftsführer der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte und Lehrbeauftragter an der Universität Mainz. Er war außerdem Gastdozent in Kolumbien, Spanien, Italien und Frankreich.

Ausgewählte Publikationen:

  • Die Wurzel unserer Wirklichkeit. Problem und Begriff des Möglichen bei Henri Bergson, Freiburg (Verlag Karl Alber), 2007
  • „Dimensionen der Zeitlichkeit bei Augustinus und Bergson“, in: Norbert Fischer (Hrsg.): Augustinus. Spuren und Spiegelungen seines Denkens, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reformation, Bd. II: Von Descartes bis in die Gegenwart. Hamburg (Meiner) 2009, Bd. II, 197-210. 

 

Zur Vorlesungsreihe

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von der Entstehung unabhängiger Einzelwissenschaften und einer damit verbundenen Kompartmentalisierung von Erkenntnis: Spezifische Erfahrungsbereiche werden jeweils zum Gegenstand einer für sie mehr oder weniger exklusiv zuständigen Einzelwissenschaft, deren Methoden- und Begriffsinventar sich von demjenigen anderer Disziplinen unterscheidet. Als Kind des 19. Jahrhunderts erwächst die Lebensphilosophie nicht zuletzt in kritischer Absetzung von dieser Tendenz einer Entkopplung der Wissenschaften von anderen gesellschaftlichen Systemen und ihrer Auffächerung in Subdisziplinen und Spezialgebiete. Sie ist, wie Otto Friedrich Bollnow plakativ anmerkt, „durch eine ganz bestimmte Kampfstellung gekennzeichnet“, die sich insbesondere gegen die Vorstellung richtet, der Mensch als philosophierendes Subjekt ließe sich adäquat als Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis erfassen. Über die ,Abstoßbewegung‘ von einseitigen szientistischen und positivistischen Versuchen, das unmittelbare Erleben von Sinnhaftigkeit und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten in formale Kategorien zu übersetzen, hinaus, geben die Vertreter der Lebensphilosophie damit einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung philosophischer Methoden, der etwa in der Phänomenologie oder der Hermeneutik Ausdruck gefunden hat. Vor diesem Hintergrund werden im wöchentlichen Wechsel Expertinnen und Experten der Lebensphilosophie sowohl exemplarische Auseinandersetzungen mit einzelnen Positionen lebensphilosophischen Denkens von Schopenhauer und Nietzsche bis Dilthey und Simmel als auch Kontinuitäten zwischen der Lebensphilosophie und nachfolgenden Strömungen sowie systematische Weiterentwicklungen präsentieren.

ICS

Details

12.06.2023, 16:30 Uhr - 18:00 Uhr
Ort: 23.21.U1 Raum 48
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